![Lunte, Heinrich: Öpfelkammer. Zürich : H. Lunte, Zürich, [zwischen 1890 und 1910?]. Zentralbibliothek Zürich, Roe 2.2.26,1](https://gottfriedkeller-platform-prod.drei.io/static/entry-images/e99_1_medium.jpg)
Gottfried Keller und die Öpfelchammer - mehr Gerücht als Wahrheit
Rindermarkt 12
Aus einer (alten) Speisekarte des Restaurants Öpfelchammer: "Der Name «Oepfelchammer» soll daher kommen, dass die Klosterfrauen des Verenaklosters ihr Obst dort zum Dörren einlagerten. Spätestens anfangs des 17. Jahrhunderts wurde hier angefangen Brot zu backen. Die Bäckerei gab es noch im 19. Jahrhundert. Sie war bekannt für Zwiebelkuchen namens «Böllen-Wähen». Das Besondere daran war, dass die Studenten nach dem Essen zum Spass mit den Brettern, auf denen die Wähen serviert wurden, die Treppe hinunter rutschten. Erst ab 1801 wurde die «Öli» als Weinstube dazu betrieben. Der Name «Öli» leitet sich ab von Studenten, die ihre Stimmbänder mit Wein «ölten», um besser zu singen." An der Hausfassade sind in etwas seltsamer Zusammenstellung die Konterfeis von Hans Waldmann und Gottfried Keller zu sehen. Das Bild des Dichters soll wohl eher an das gegenüberliegende Wohnhaus der Familie Keller erinnern als an häufige Besuche der Wirtschaft, denn in seiner Jugendzeit war Keller kaum hier zu Gast, und später wohnte er nicht mehr in der Gegend, dazu fand er seinem Geschmack besser behagende Lokale, etwa die "Häfelei" oder das "Gambrinus" an der Schoffelgasse. Für ein gutes Bier besuchte er gerne die "Kronenhalle", für einen feineren Wein und ein gutes Essen hingegen das Café im Zunfthaus zur Meisen. Urheber des Gerüchtes, dass Gottfried Keller in der Öpfelchammer verkehrt haben soll, ist vielleicht der deutsche Schriftsteller Wilhelm Schäfer (1868-1957). Ob er sich in seinem Buch "Karl Stauffers Lebensgang" (1911) auf eine damals schon geläufige Anekdote bezieht oder sie selber erfindet, ist unbekannt. Er schreibt:
Einmal in der Äpfelkammer - es war freilich kaum mehr als ein wohnlicher Sarg, das Weinstübchen, wo wir miteinander zu einem Dutzend hockten - geriet es mir so mit allerhand Schnurren, dass sie [Arnold Böcklin und Gottfried Keller] mir richtig zuhörten und mich ein paarmal über ihren dicken Augensäcken lustig anlächelten. [...] So waren an dem Abend noch zwei Kerle da, ein buckliger Thurgauer, der seine Frechheiten schläfrig auf den verwaschenen Holztisch rollen liess, und ein Sankt Galler, der sie mit spitzen Nadeln zu einer Käfersammlung aufspiesste. Wir triebens den beiden Alten so, dass sie mit vollen Rotweinbäuchen lachten, wie wenn Fässer übers Pflaster rollten. Als wir nach Mitternacht aus dem Weinsarg wieder an die Luft krochen und auf die Gasse kamen, musste der schwere Böcklin, obwohl er selber schon auf sehr breiten Füssen ging, den kleinen Gottfried wie ein altes Frauchen leiten, das seinen Gesangbuchvers brummelnd mühselig den Kirchsteig hinunter wackelt. [Wilhelm Schäfer, Karl Stauffers Lebensgang, 1911]