Karl Bodmer, Mato-Tope, Geschmückt mit den Zeichen seiner Kriegstaten, Wikipedia Commons

Wie Gottfried Keller zum Indianer Donner-Bär kam.

Oberdorfstrasse 15

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An den "Indianer-Maler" Karl Bodmer erinnert eine Gedenktafel an seinem Geburtshaus. Er wurde berühmt, nachdem er als Reisebegleiter des Prinzen Maximilian zu Wied-Neuwied dessen "Reise in das innere Nord-America in den Jahren 1832 - 1834" illustriert hatte, die zwischen 1837 und 1842 erschienen war. Einige der Indianer-Bilder sind auch im Buch "Naturgeschichte und Abbildungen des Menschen der verschiedenen Rassen und Stämme" von Hans Rudolf Schinz abgedruckt, das 1840 in Zürich erschien. Bodmer beschäftigte für die Übertragung seiner Aquarelle und Zeichnungen in Druckvorlagen u.a. Zürcher Kupferstecher und Koloristen. Denkbar ist, dass Keller - der mit diesen teilweise befreundet war - über sie von Bodmers Bildern erste Kenntnis nehmen konnte. Für die Schilderung des Indianers "Donner-Bär" in der Novelle "Die Berlocken" (aus "Das Sinngedicht", 1881) musste er jedenfalls kolorierte Abbildungen gesehen haben, denn die Schilderung folgt bis in Details deren Vorgaben. Allerdings zieht Keller Merkmale von verschiedenen Porträts zu einer Figur zusammen. Es ist "Donner-Bär", der indianische Bräutigam des Indianermädchens Quoneschi. Um diese wirbt Thibaut von Vallormes, ein französischer Offizier in den Truppen La Fayettes, welche um 1780 die Amerikaner im Unabhängigkeitskrieg gegen die Engländer unterstützten. Blind vor Liebe, lässt er sich von ihr die Berlocken-Schmuckstücke abschwatzen, die als Trophäen aus seinen amourösen Abenteuern an seiner Uhrkette glänzen. Als die Franzosen aber einem Fest der Indianer beiwohnen, muss Thibaut diese Schmuckstücke zu seinem Schrecken an der Nase des indianischen Bräutigams seiner Verehrten erblicken.

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Denke man sich also einen Komplex herrlich gewachsener riesiger Glieder vom sattesten Kupferrot und vom Kopf bis zu den Füssen mit gelben und blauen Streifen gezeichnet, auf jeder Brust zwei kolossale Hände mit ausgespreizten Fingern abgebildet, so hat man einen Vorschmack dessen, was noch kommt. Denn eine malerische Welt für sich war das Gesicht, die eine Hälfte der Stirn, der Augendeckel, der Nase und des Kinnbackens bis zum Ohre mit Zinnober, die andere mit blauer Farbe bemalt, und dazwischen eine Anzahl fein tätowierter Linien dieser und jener Farbe. Die ganzen Ohrmuscheln waren rings mit herabhängenden Perlquasten besetzt, die pechschwarzen langen Haarsträhnen mit einer Menge Schnüre von kleinen Muscheln, Beeren, Metallscheibchen u.dergl. durchflochten und darauf noch ein Helm von weissen Schwanenfedern gestülpt; ein Skalpiermesser samt einem blonden Skalp steckte als Haarnadel in dem Wirrwarr, nicht zu gedenken noch anderer Quincaillerie, die weniger deutlich zu unterscheiden war. Allein über all' diesem Kopfputze sträubte sich ein Kamm gewaltiger Geierfedern, weiss und schwarz, in die Höhe und zog sich längs des Rückgrates hinunter gleich einem Drachenflügel, ganz aus den längsten Schwungfedern bestehend. Dazu nun der reich gestickte Wampumgürtel, die gestickten Schuhe und Mocassins, so wird man gestehen müssen, dass hier ein Schatz von Schönheit und männlicher Kraft versammelt war. Allein erst der glühende furchtbare Blick machte noch das Tüpfelchen auf das I, und als der Tapfere, den man "Donner-Bär" nannte, den Tanz anhub, zu stampfen begann und mit schrecklichem Gesange die rot bemalte Axt über dem Haupte schwang, indem er die andere Faust gegen die schlanke Hüfte stützte, da fühlten die europäischen Gäste beinahe ihre gepuderten Haare knistern, denen besonders das Skalpiermesser nicht gefiel. [G. Keller, Das Sinngedicht: Die Berlocken]

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