![Keller, Gottfried: Sihl. [Schweiz], August 1837. Zentralbibliothek Zürich, GKN 16](https://gottfriedkeller-platform-prod.drei.io/static/entry-images/e46_1_medium.jpg)
Baden in der Sihl ist gefährlich!
Sihlhölzli
Keller notiert in seinem Tagebuch am 16. August 1843: "Ich bade mich schon mehrere Abende mit der grössten Lust in der Sihl. Es ist eine grosse Wohltat, im klar fliessenden Wasser, zwischen Buchen- und Tannengrün, im Abendsonnenschein herum zu schwimmen und in den lieblich kosenden Wellen die Not und den Staub der Zeit abzuschütteln und zu vergessen!" Später wird er die Badefreuden in den "Züricher Novellen" verwerten. Nachdem der junge Jacques auf der Suche nach originellen Beobachtungen die Katzbastion besucht hat, setzt er seinen Spaziergang fort in Richtung Sihl. Er erinnert sich dabei an den kleinen Skandal, den die für "verwirklichte Naturfreiheit" schwärmenden Grafen Stolberg, Goethes Gefährten auf dessen erster Schweizerreise im Jahre 1775, ausgelöst hatten, als sie in der Sihl nackt badeten. (Vgl. J.W. v. Goethe, Dichtung und Wahrheit, IV. Teil, 19. Buch)
Da sich nun auf dieser Katze keine erfreuliche Erfahrung oder Auszeichnung darbieten wollte, so stieg er wieder hinunter und ging aus dem nächsten Tore, sich bald an den einsamen Ufern des Sihlflusses verlierend, der wie herkömmlich durch die Gehölze und um die aus dem Gebirge herabgewälzten Steinblöcke schäumend dahineilte. Seit hundert Jahren war diese dicht vor der Stadt liegende romantische Wildnis von den zürcherischen Genies, Philosophen und Dichtern mit Degen und Haarbeutel begangen worden; hier hatten die jungen Grafen Stollberg als Durchreisende genialisch und pudelnackt gebadet und dafür die Steinwürfe der sittsamen Landleute eingeerntet. Die Felstrümmer im Flusse hatten schon hundertmal zu den robinson'schen Niederlassungen junger Schulschwänzer gedient; sie waren geheimnisvoll von dem Feuer geschwärzt, in welchem geraubte Kartoffeln oder unglückselige Fischchen gebraten worden, die den Robinsons in die Hände gefallen. Herr Jacques selber hatte mehrere dergleichen Projekte hervorgebracht. Allein, ein besserer Kaufmann als Robinson, hatte er dieselben, d.h. die Wahl des Platzes und das Einzelne der Ausführung jedesmal für bares Geld an andere Knaben abgetreten, worauf die Käufer dann ebenso regelmässig in folge dieser Wahl und Ausführung von den Bauern als Holzfrevler und Felddiebe überfallen und geprügelt worden waren. [G. Keller, Züricher Novellen, Rahmenerzählung]