[Einweihungsfeier beim Alfred Escher-Denkmal auf dem Bahnhofplatz Zürich]. [Zürich?], [1889]. Zentralbibliothek Zürich, Zürich K3, Escherdenkmal I, 2

Alfred Escher - ein Mann des Friedens

Bahnhofplatz

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Gottfried Keller lancierte mit einer Kunstnotiz über den Bildhauer Richard Kissling (1848-1919) vom 2.4.1883 die Idee eines Denkmals für den ein Jahr zuvor verstorbenen Alfred Escher. Aber erst am 22. Juli 1889 konnte er anlässlich der Einweihung des Denkmals vor dem Bahnh[of eine Summe seiner Haltung zu diesem herausragenden Zürcher Staatsmann und Wirtschaftsführer ziehen, dem er mannigfache Fürsprache verdankte zu einer Zeit, als er auf die Stipendien des Staates Zürich angewiesen war. Im Zürcher Intelligenzblatt vom 22. 2. 1861 hatte er Eschers Rede zur Eröffnung der Wintersitzung des Zürcher Grossen Rates noch scharf kritisiert. In dieser hatte Escher die Neutralität als den Talisman, unter dessen schützender Obhut die Schweiz am ehesten durch die Gefährdungen der Gegenwart steuere, bezeichnet und dazu nicht nur Respekt für eine schlagkräftige Armee, sondern auch für einen wohlgeordneten Finanzzustand und dadurch Erhaltung des Landeskredites gefordert. Keller fand in Eschers Rede die Neutralität - im Streit mit Frankreich um Savoyen - zu stark betont, die Wehrhaftigkeit gegen tückische Feinde - nämlich den französischen Kaiser - zu schwach markiert. Die Einweihung des Escher-Denkmals vor dem Bahnhof begleitete Keller nun mit einem Bekenntnis, das Eschers damaliger Haltung nachträglich recht gab, und er ehrte vor allem dessen die eigene Gesundheit nicht schonenden Einsatz für das Gemeinwohl.

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Alfred Escher war ein Mann des Friedens, nicht um jeden Preis, aber stets ein Gegner dessen, was nach gefährlichem und törichtem Mutwillen aussah. In einer kritischen Stunde rief er: Nicht durch gewaltsames Einmischen in fremde Händel, sondern durch ihr blosses Beispiel, ihr geordnetes Bestehen soll unsere Republik, unsere Staatsform Propaganda machen! Diese Gesinnung war auch der Kern seines Lebens, welches von der Jugendzeit bis zum Tode eine Offenbarung davon gewesen ist. Das glänzende Erz, das heute enthüllt wird, ist nur ein Zeugnis der hohen Mustergültigkeit, ja Einzigkeit seines Beispiels. Bedürfte der Stein einer weiteren Inschrift, als derjenigen seines Namens, so liesse sich eingraben: "Dem Manne, der mit Geistestreue und eigenster Arbeit sich selbst Pflichten auf Pflichten schuf und, sie erfüllend, wirkend und führend seine Tage verbrachte, die Nächte opferte und das Augenlicht!" [G. Keller, Zu Alfred Eschers Denkmalweihe,Neue Zürcher Zeitung, 22.7.1889]

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