[Altes Stadthaus im Kratz mit Markt]. [Zürich?], [vor 1886]. Zentralbibliothek Zürich, Zürich H2 Fraumünster-Qu. Altes Stadthaus I,11

Der grüne Heinrich tauscht auf dem Stadthausmarkt echte Silbermünzen gegen Talmigold.

Stadthausquai 7

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Seit 1796 fand der Markt in Zürich auf dem Platz vor dem alten Stadthaus im Kratzquartier statt. Dieser Markt wird im "Grünen Heinrich" zum Schauplatz einer Szene, in welcher Heinrich einen anderen Knaben, mit dem er sich befreundet hat, mit dem Kauf von Schmuck für eine Geliebte zu beeindrucken sucht. Beide haben sich einem Kreis von jüngeren Leuten angeschlossen, die fleissig Trivialliteratur lesen: die Mädchen die sentimentalen Briefromane des 18. Jahrhunderts, die Knaben Ritterromane, in denen die tapferen Krieger natürlich ihre Taten und Untaten im Dienste eines geliebten Fräuleins vollbrachten. Heinrich prahlt damit, er besitze zu Hause Reichtümer, mit denen er seine Geliebte glücklich machen wolle. Den Tatbeweis muss er erbringen, als die beiden Freunde die Messe besuchen.

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Wir trafen bald darauf, als es gerade Messzeit war, am Seeufer zusammen, vor den Krambuden flanirend, die dort in langen Strassen sich aneinander reihten, und begrüssten uns wie Macbeth's Hexen mit: «was hast du geschafft?» Wir standen vor dem Magazine eines Italieners, welcher neben südlichen Esswaren auch glänzende Bijouterien und Spielereien feil bot. Feigen, Mandeln und Datteln, Kisten voll reinlich weisser Macaroni, besonders aber Berge ungeheurer Salamiwürste reizten den Sinn meines Gesellen zu kühnen Phantasien, indessen ich zierliche Frauenkämme, Oelfläschchen und Schalen voll schwarzer Räucherkerzchen betrachtete und ungefähr dachte, wo diese Dinge gebraucht würden, da wäre es gut sein. [...] So hatte ich keinen andern Ausweg, als nach Hause zu laufen und mir mit meinem Sparkästchen zu schaffen zu machen. Einige Augenblicke nachher ging ich wieder davon, einige glänzende Silberstücke in der festverschlossenen Hand, mit klopfender Brust dem Markte zu, wo mein lauernder Dämon mich empfing. Wir handelten um die Kette, oder gaben vielmehr, was der Italiener forderte; ich wählte noch ein Armband von Agatplatten und einen Ring mit einer roten Glaspaste; der Kaufmann besah mich und die schönen Gulden mit wunderlichen Blicken, steckte sie aber nichtsdestoweniger ein; ich aber wurde schon auf dem Wege nach dem Hause fortgedrängt, wo meine Dame wohnte. [G. Keller, Der grüne Heinrich, Kap. 1.12]

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